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Clash of Realities 2012:
Schokolade oder Broccoli –
Wie verpackt man Serious Games?

Ich übernehme mit freundlicher Genehmigung der Redaktion von spielbar.de einen ausführlichen Bericht über die Konferenz Clash of Realities:


Spielen und Lernen – wie passt das zusammen? Das Thema Serious Games war nur eins von vielen, denen sich die vierte Konferenz Clash of Realities in Köln widmete. Das international besetzte Teilnehmerfeld diskutierte Trends und Forschungsfragen rund um Computerspiele. spielbar war vor Ort.


Von Anne Sauer und Tobias Miller (Redaktion spielbar.de)


Alle zwei Jahre lädt die Fachhochschule Köln zu Clash of Realities, so auch vom 23. bis 25. Mai dieses Jahres. Die international besetzte Fachkonferenz ist kostenlos und richtet sich nicht nur an Fachpublikum, sondern auch an interessierte Studierende. Rund 350 Interessierte folgten der Einladung zu Clash of Realities 2012, die wie gewohnt in den Hörsälen der Fachhochschule Köln stattfand.


Stand bei Clash of Realities 2010 noch der öffentliche Diskurs im Mittelpunkt, insbesondere die Frage nach der Kommunikation trockener Forschungsergebnisse im öffentlichen Raum, ging es bei Clash of Realities 2012 vorrangig um konkrete Forschungsvorhaben und Games-Projekte. Diskutiert wurde aktuelle Schlagworte wie Gamification, Game-Based Learning, Mobile Games und Serious Games. Beim Game Design ging es um die Frage: Indie oder Mainstream?


Daneben wurde das interdisziplinäre Forschungsfeld Games in seiner Breite dargestellt. Neben dem akademischen Umfeld hatten auch die junge Entwicklerszene und Künstlerinnen und Künstler ihren Platz auf der Konferenz. Damit nichts zu kurz kam, wurde die Konferenz zeitweise in bis zu vier Tracks parallel aufgeteilt. Gerahmt wurde das Programm von Keynotes international renommierter Forscherinnen und Forscher. Hier ein Rückblick auf die Keynotes und ausgewählte Vorträge aus den Themenschwerpunkten:

Keynotes & Highlights

Game-Diskurse

Digital Game-Based Learning

Game Design


 

Über die Tagung

Die dreitägige Konferenz ist eine Veranstaltung der Fachhochschule Köln (Institut für Medienforschung und Medienpädagogik), des Cologne Game Labs und Electronic Arts. Die Referate der Tagung werden voraussichtlich wie bereits bei den bisherigen drei »Clash of Realities« in einem Tagungsband veröffentlicht. Auf der offiziellen Internetseite www.clashofrealities.de sollen demnächst Präsentationsfolien einiger Referentinnen und Referenten veröffentlicht werden.


 

Die Keynotes

Den Auftakt machten am Mittwoch zwei Keynotes zum experimentellen Game Design: Doris Rusch, Game Designerin und Professorin an der DePaul University in Chicago, stellte unter dem Titel »Game Design Zen« Computerspiele vor, an deren Entwicklung sie in ihrer Zeit am MIT GAMBIT Game Lab beteiligt war. Interessanterweise ging es in den Spielen weniger um Spielspaß. Jedes der genannten Computerspiele hatte vielmehr zum Ziel Aspekte des Menschseins, insbesondere Gefühle, erfahrbar zu machen. In »Elude« beispielsweise erleben die Spielenden, wie sich Depressionen anfühlen und welcher Hilflosigkeit Betroffene zum Teil ausgesetzt sind. In »Bridge« wiederum wird die Liebe thematisiert, gleichwohl wie die Verlustangst, die mit ihr einhergehen kann. In anderen Spielen werden Themen wie Abhängigkeit (»Akrasia«) und Angst (»Zombie Yoga«) aufgegriffen. Anhand der genannten Beispielentwicklungen machte Rusch deutlich, welchen Möglichkeiten und Herausforderungen Game Designer begegnen.

In eine ähnliche Richtung ging Tracy Fullerton, Professorin an der University of Southern California School of Cinematic Arts, in ihren Ausführungen zu »Provocations in Play«. Anhand von aktuellen Projekten des USC Game Innovation Lab, das unter anderem schon mit Spielen wie flOw, Cloud oder Darfur is Dying bekannt geworden ist, stellte sie den Prozess bei der Entwicklung experimenteller Computerspiele vor. Gleichwohl versuchte sie die Zuhörenden selbst zu inspirieren, sich im Game Design auszuprobieren und auch nicht vor unerwarteten und möglicherweise schwierigen Problemen und Fragestellungen zurückzuschrecken.

Beide Rednerinnen zeigten anschaulich, wie man sich das Medium Computerspiele – eines der ausdrucksfähigsten Medien unserer Zeit – zu Nutze machen kann, um den Spielenden einzigartige Erfahrungen zu ermöglichen. spielbar tweetet:


"Playing #games requires many forms of literacy", sagt @constances. Das deckt sich mit unserer Erfahrung. #CoR12 #CoR2012 #education — spielbar (@spielbar) Mai 24, 2012


Constance Steinkuehler, Wissenschaftlerin an der University of Wisconsin-Madison, präsentierte die Ergebnisse ihrer repräsentativen Untersuchung zur Wissensaneignung und -weitergabe innerhalb von Online-Rollenspielen und MMORPGs mit dem Ergebnis, dass innerhalb von virtuellen Welten durchaus Lernformen auszumachen sind. In einem World of Warcraft-Forum untersuchte sie 2000 Posts in 85 Themen auf die wissenschaftliche Beschaffenheit der Äußerungen der Gamer untereinander. Steinkuehler sprach in dem Zusammenhang von einer kollektiven Intelligenz, die sich stark evaluativ und argumentativ einem Thema widmet.

Daneben machte Steinkuehler deutlich, dass Computerspiele Gamer dazu motivieren können, sich mit Texten auseinander zu setzen, die hohe Anforderungen an den Lesenden stellen – sei es, um in Diskussionen zum Spiel argumentativ überzeugend zu sein, oder im Spiel selbst zu bestehen.

Interessant war in diesem Zusammenhang auch das Ergebnis einer Teiluntersuchung, bei der sich Kinder zwischen drei Texten mit unterschiedlichen Themen entscheiden konnten. Einer der drei Texte lag von den Anforderungen her weit über dem eigentlichen Schulniveau der Testpersonen und war somit sehr viel schwerer als die anderen beiden. Dennoch wählte der Großteil der Kinder diesen schweren Text. Der Grund dafür lag in der Thematik Games. In einem weiteren Schritt wurden den Schülern zwei Texte über Computerspiele vorgelegt. Den einen durften sie sich auswählen, den anderen nicht. Das Ergebnis: lagen bei dem freiwillig gewählten Text Verständnisprobleme vor, so haben die Schüler dieses Problem aus eigener Motivation gelöst.

Warum? Weil sie etwas gelesen haben, was sie interessiert. Was das für die pädagogische Praxis bedeutet, fasste Steinkuehler in ihrer Präsentation abschließend mit dem Satz zusammen: »Let kids choose the topics!«


Kurt Squire, Professor an der University of Wisconsin-Madison griff schließlich das Thema Lernen in und mit Computerspielen auf. Genauer gesagt behandelte er die Frage, wie Computerspiele das Lernen an sich verändern, eines seiner Arbeitsfelder am Wisconsin Institute for Discovery. Die Zielsetzung seiner Forschungsgruppe ist, das öffentliche Verständnis für wissenschaftliche Fragestellungen zu verbessern. Anhand mehrerer Beispiele zeigte er auf, wie Computerspiele wesentliche Aspekte von Wissenschaft einfangen und diese Lernenden aller Altersstufen authentisch präsentieren.


 

Spielkultur

Die vielfältigen kulturellen Aspekte wurden bei Clash of Realities ebenfalls aufgegriffen. So widmete sich PD Dr. Alexander Knorr von der Ludwig-Maximilians-Universität München in seinem Vortrag ausdrücklich dem Thema Spielkultur. Als Ethnologe fasziniert ihn eine ganz bestimmte Gruppe unter den Gamern, die sogenannten Gamemodder. Computerspiele sind für sie ein Stück Software, das sie verwenden und nach ihren Vorstellungen verändern. Es entstehen eigene Spiele, die mit dem Original nicht mehr viel zu tun haben, abgesehen von der ursprünglichen Engine. Gamemodder rezipieren somit nicht nur Computerspiele, sondern spielen mit ihnen.


Da die Modder das Sprachrohr der Gamerszene sind, werden manche sogar von professionellen Spieleentwicklungsfirmen rekrutiert. Viele Projekte von Gamemodder scheitern letztlich jedoch, die Fanszene bleibt. Die Faszination des Gamemoddings fasste Knorr abschließend mit folgender, sehr bildlichen Metapher zusammen: Gamemodder sind [selbsternannte] Schöpfungsgötter eines mystischen Territoriums namens Computerspiel«.


Marc Bonner warf unter dem Titel »Gebaute Wirklichkeit in digitalen Welten« einen Blick auf die Architektur in Computerspielen, und damit auch einen Blick über den Tellerrand der Computerspielforschung. Anhand von Beispielen machte er deutlich, wie sich zeitgenössische Architektur und aktuelle Computerspiele gegenseitig in Formästhetik und Strukturverständnis inspirieren und beeinflussen. So erinnert beispielsweise das vom Architektenbüro MVRDV entworfene Hochhaus »The Cloud« an den blockhaften Aufbau im Computerspiel-Klassiker Tetris. Gleichzeitig scheint es, als würden bereits existierende Bauwerke adaptiert und in die virtuelle Welt der Computerspiele transferiert. So erinnern futuristische Gebäude in aktuellen Spielen wie Brink, Deus Ex: Human Revolution oder Mass Effect 3 an Werke zeitgenössischer Architekten wie Calatrava, Hadid und Ito, wie diese Beispiele zeigen.


 

Gamification

Unter dem Titel »Ruling the World – When Life Gets Gamed« griff Sebastian Deterding den Trend Gamification auf. Seit 2008 ist der Begriff im Umlauf, 2010 wurde er populär, mittlerweile überschwemmt Gamification die Welt in allen Bereichen. Selbst das Leben wird mittlerweile zum Spiel, etwa mit dem Mindbloom Life Game. Die »Spielenden« geben an, welchen Teil ihres Lebens sie aufwerten möchten und bekommen anschließend kleine Aufgaben, die sie ihrem Ziel ein Stückchen näher bringen. Dass nicht jeder Bereich des Lebens mit Gamification funktioniert, demonstrierte Deterding am Beispiel des Journalisten Matthew Shear. In einem Selbstexperiment »gamifizierte« er eine ganze Woche Lang sein Leben mit dem Ziel seiner Freundin ein besserer Verlobter zu sein. Er gab sich Punkte fürs Abwaschen, dafür, dass er den Hund ausführte und seiner Freundin Komplimente machte. Für sie allerdings verloren die eigentlich gut gemeinten Geste schnell an Bedeutung. Mit ihrer Aussage »Du machst das doch nur der Punkte wegen« endete Shears Experiment. Das Beispiel zeigt deutlich, dass es durchaus Grenzen für Gamification gibt. Gamification kann zwar durchaus eine nützliche Motivationshilfe im Alltag sein. Ab einem bestimmten Punkt jedoch muss man sich auf das Ursprüngliche besinnen und einfach Mensch sein. Der Mensch bestimmt die Regeln, der Mensch macht das Spiel.


 

Gewalt und Computerspiele

Die Frage, die seit Aufkommen der Computerspiele stehts im Raum zu stehen scheint: machen gewalthaltige Computerspiele aggressiv? Unzählige Studien haben sich bereits dieser Fragestellung gewidmet, die Ergebnisse sind ebenso zahlreich. Johannes Breuer von der Universität Hohenheim hat in seinen Ausführungen bei Clash of Realities nun seinerseits versucht, sich dieser Fragestellung anzunähern. Dazu gab er einen groben Überblick über theoretische und analytische Modelle, auf denen bestehende Ergebnisse beruhen. Dabei wurden Gründe für die Uneinheitlichkeit der aktuellen Befundlage deutlich:


(1) Die Debatte um Zusammenhänge zwischen Spiel und Aggression werden zwischen Medienwirkungsforschern aber auch in der Öffentlichkeit hitzig geführt. Zu jeder Meinung gibt es mindestens eine Studie, die diese bestätigt. Dass die Ergebnisse vieler Studien jedoch unterschiedlich ausgelegt werden können, ist dem Außenstehenden dabei nur selten bewusst (Korrelation vs. Kausalität).


(2) Computerspiele unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht. Sie allein auf die Aggressionsförderung zu untersuchen beziehungsweise sie miteinander zu vergleichen kommt einem Vergleich von Äpfeln und Orangen gleich.


(3) Der soziale Kontext von Computerspielen wurde bei den Untersuchungen bislang außer Acht gelassen. Dabei sind Computerspiele interaktive und vor allem soziale Medien. Bestimmte Verhaltensweisen von Mitspielenden können zu Frustrationserlebnissen führen. Das wiederum kann nach der klassischen Frustrations-Aggressions-Hypothese aggressive Reaktionen des Spielenden zur Folge haben. spielbar tweetet:

Johannes Breuer: "Does playing video games make you more aggressive? Answer 1: 'Meh! It's complicated!' " #CoR2012 #CoR12 — spielbar (@spielbar) Mai 25, 2012

Die Ausführungen von Johannes Breuer machten eines deutlich: Die Diskussion um den Zusammenhang zwischen Konsum gewalthaltiger Computerspiele und aggressivem Verhalten ist noch lange nicht zu Ende.


Gewalt und Computerspiele, das ist seit einigen Jahren auch Gegenstand der Hirnforschung. PD Dr. Thorsten Fehrvon der Universität Bremen brachte diese neurologische Perspektive in die Diskussion bei Clash of Realities mit ein. Im Gegensatz zu populären Aussagen, die klare Zusammenhänge im Sinne der Aktivierung bestimmter Hirnregionen bei der Rezeption medialer Gewaltdarstellungen herstellen, rät Fehr von solchen einfachen Schlüssen mit Nachdruck ab. Ganz im Gegenteil: man könne im Gehirn nicht sagen, da sei die Aggression, und da nicht. Fehr plädiert damit für eine differenzierte Sicht, die in der öffentlichen Diskussion bisher noch wenig Gewicht erhält. Diese beinhaltet vor allem eine Unterscheidung zwischen realer Gewalt einerseits und virtueller Gewalt andererseits. Alles deute darauf hin, dass diese im Gehirn unterschiedlich verarbeitet werden. Die neurologische Forschung in diesem Bereich stehe aber auch noch am Anfang, so Fehr weiter mit dem Verweis auf zukünftige Forschungsaufgaben. spielbar tweetet:


“Wir können im Gehirn nicht sagen, da ist die Aggression, und da nicht! So einfach ist das nicht!” #CoR12 #Cor2012 #Track2 #Spitzer — spielbar (@spielbar) Mai 24, 2012


Dr. Kirsten Zierold näherte sich der Gewaltdiskussion aus medienkulturwissenschaftlicher Perspektive. Ihr Ausgangspunkt war die häufige Abwertung von Computerspielen als unmoralisches Medium, was zumeist mit der Interaktivität im Spiel in Zusammenhang gebracht wird. Unter dem Titel »Moral und Spiel — Ein Beitrag zur Aufklärung« warf sie einen Blick auf die Strukturen und Prozesse innerhalb von Computerspielen und versuchte so zur differenzierten Auseinandersetzung mit dem Medium anzuregen. Ihrer Definition nach findet ein Spiel innerhalb von drei Dimensionen statt: (1) Bild- & Räumlichkeit (Orientierung), (2) Performativität (Handlungsmöglichkeiten) und (3) Narrativität (Spielziel). Moral ist nach Zierolds Definition eine Bewertung in Richtung gut oder schlecht, beziehungsweise in Form von Punkten. In aktuellen Spielen findet das oft nur auf einer Ebene statt. Als Beispiel zieht Zierold zunächst das Computerspiel Fable heran. Laut Peter Molyneux, dem Entwickler des Spiels, ist Fable mit Moral gespickt. Zierold stellt jedoch klar heraus, dass es sich dabei lediglich um vermeintliche moralische Entschiedungen auf der Performationsebene handelt. Auf der narrativen Ebene dagegen fehle es an einer inhaltlichen Positionierung. In einem weiteren Beispiel widmet sie sich Grand Theft Auto: San Andreas, einem Spiel, indem Moral stärker implementiert ist.


 

Computerspiele in der Berufsvorbereitung

Game-Based Learning war eines der zentralen Themen bei Clash of Realities. Mehrere Vorträge zeilten dabei auf die Vorstellung konkreter Beispiele ab. Birgit Schmitz, André Czauderna, Stefan Gronewold, Boris Irmscher, Jens Pieskund Hartmut Sommer stellten beispielsweise »BauBoss« vor, ein Ergebnis des Forschungs- und Entwicklungsprojektes SpITKom. Das Computerspiel ist als Multiplayer ausgerichtet und soll benachteiligten Jugendlichen in der Berufsvorbereitung spielerisch IT-Kompetenz vermitteln. Eine umfangreiche Evaluation zu dem Projekt kann auf der offziellen Webseite nachgelesen werden.


Dass Multiplayerspiele zur Vermittlung von Lerninhalten durch kollaboratives Lernen durchaus Vorteile gegenüber Singleplayerspielen haben, machte Viktor Wendelanhand von Beispielprojekten der Technischen Universität Darmstadt deutlich. Darunter »Escape From Wilson Island«, ein Computerspiel, in dem ein Team aus vier Spielenden in einem Robinson Crusoe-ähnlichem Szenario auf einer Insel strandet. Jeder der vier Spielenden verfügt über einzigartige Fähigkeiten, die es zu nutzen gilt. Nur durch Teamwork und gegenseitige Kommunikation (beides wichtige Softskills) kann die Gruppe die Insel letztendlich wieder verlassen.


 

Computerspiele in Schule und Hochschule

Alexander Pfeiffer präsentierte das Physikspiel Ludwig, das Kindern und Jugendlichen ab 11 Jahren das Thema erneuerbare Energien näher bringen soll. Begleitet wurde die Entwicklung von Ludwig von einem Forschungsprojekt, das motivierende Aspekte und Effekte des Wissenstransfers in digitalen Lernspielen untersucht. Mehrere Pretestphasen hat Ludwig durchzogen, in denen das Spiel intensiv von Schülerinnen und Schülern wie Lehrkräften getestet wurde. Nun wird das Spiel auf der offiziellen Webseite (auch als kostenlose Demo-Version) zum Download angeboten.


Die Produktion digitaler Spiele ist die eine Seite, ihre Akzeptanz im schulischen Umfeld die andere. Dr. Ralf Biermann von der Universität Magdeburg untersuchte den Einsatz populärer Computerspiele im Kontext Schule. Unabhängig von den häufig nicht hinreichenden Rahmenbedingungen (technische Ausstattung, Ausbildung der Lehrkräfte) stellte er auch eine ablehnende Kultur fest. Diese manifestiere sich in Einstellungsmustern, die – so Biermanns Ansatz – unter Rückgriff auf das Habitus-Konzept von Pierre Bourdieu beschrieben werden können. So seien es gerade digitale Spiele, die polarisieren. Zwar habe sich in den vergangenen einiges getan, das Kernproblem einer ablehnenden Grundhaltung bleibe aber vielerorts bestehen.


Dr. Sonja Ganguin von der Universität Paderborn beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit Computerspielen in formalen Lernkontexten. Ihr Ausgangspunkt: historisch betrachtet gibt es eine grundlegende Differenz zwischen Spiel und Arbeit, wobei das Spiel in der Regel seriösen Tätigkeiten nachgeordnet wird. Dieser Differenz stehen heute innovative Ansätze gegenüber, Computerspiele in Lernprozesse zu integrieren und damit auch den aktuellen Lernbedürfnissen gerecht zu werden. In einer empirischen Untersuchung unter knapp 800 Studierenden fand Ganguin heraus, dass diese grundsätzlich offen für spielerische Lernangebote sind. Jedoch ist ihnen spielerisches Lernen als ein didaktisches Prinzip noch unvertraut. Spielen und Lernen wird von ihnen kaum miteinander in Verbindung gebracht. Computerspiele lassen sich somit vorwiegend als zusätzliche Angebote nutzen. Neue Potenziale für Computerspieldidaktik im Kontext formalen Lernens sieht Ganguin etwa in mobilen Endgeräten.


 

Mobile Serious Games?

Anna Hoblitz widmete sich in ihrem Beitrag den inhaltlichen Vermittlungsmöglichkeiten, die sich aus der rasant steigenden Verbreitung von Smartphones und Tablets ergeben. Ihre Frage: ist eine Synthese ausSerious Games und Mobile Gaming möglich? Potenziale hätten »Mobile Serious Games« allemal, etwa im Bereich des kollaborativen Lernens, der außerschulischen Nutzung in informellen Lernkontexten oder durch die hohe Motivation, die entsteht, wenn Spielinhalt und Ort zusammenhängen. Jedoch zeige der Blick in die Forschung, so Hoblitz, dass trotz umfangreicher Arbeiten zu Serious Games das Thema Mobilität noch randständig behandelt werde. Ein Grund dafür liegt womöglich in den Studien selbst, da diese die Potenziale von Mobile Games nicht ganz erfassen. Dennoch ihr Fazit: Die Synthese ist möglich, entsprechenden Ansätze befinden sich aber meist Prototypstatus. Das große Potenzial deute sich in der Forschung bisher erst an, so Hoblitz.


 

Unterhaltungstitel für Lernszenarien nutzen

In seinem zweiten Tagungsbeitrag machte Johannes Breuer schließlich auf ein Grundproblem der Serious Games-Entwicklung aufmerksam, das sogenannte »chocolate broccoli problem«. Lernende merken, dass die Unterhaltung nur vordergründig ist und sich dahinter altbekannte (und mitunter unbeliebte) Lernformen verbergen. Breuer schlägt daher vor, kommerziell verfügbare Unterhaltungstitel für Lernszenarien zu nutzen. Kein leichtes Unterfangen, für das er aber einen »Walkthrough« in vier Schritten anbietet. Der erste Schritt ist die Spielauswahl. Hier geht es um Recherche entsprechend den Lernzielen und die richtige Ausrüstung. Schritt zwei ist eine gute Vorbereitung. Spiele müssen getestet und eigene Spielerfahrung gesammelt werden. Wichtig ist hier, geeignete Lernmomente zu identifizieren. Als dritter Schritt folgt die praktische Spiel- und Lernphase. Es kommt an dieser Stelle darauf an, Lernende zu begleiten, ihnen Unterstützung anzubieten und sie zu selbstgesteuertem Lernen zu ermutigen. Das Spielen sollte idealerweise in andere Lernaktivitäten eingebettet werden. Schließlich geht es im viertem Schrittdarum, eine Transferleistung zu erbringen. Hier bieten sich etwa Gruppendiskussion an, in denen die vorab identifizierten Lernmomente aufgearbeitet oder Fiktion und Fakten gegenübergestellt werden.


 

Indie vs. Mainstream

Den Bereich Game Design dominierte das Thema Independent Games. Verschiedene Künstler stellten ihre innovativen und ausgefallenen Spielkonzepte vor. So zum Beispiel Where is my Heart, eine Hommage an Computerspiele der späten 80er Jahre, und Lume, ein Point-and-Click-Adventure in einzigartiger Papp-Diorama-Optik. OderFingle, ein kooperatives Spiel für das iPad, dass die Spielenden einander näher bringt, indem sie gezwungen sind sich gegenseitig mit ihren Fingern zu berühren. spielbar tweetet:


Nur weil ein #Game "Indie" ist, muss es nicht in 8Bit sein. Indie ist vielseitig, Indie sind Ideen... #Track4 #CoR12 #CoR2012

— spielbar (@spielbar) Mai 24, 2012


Was bei all den Projekten deutlich wurde ist die Vielseitigkeit mit der aktuelle Independent Games noch immer überraschen. Und das in einer Zeit in der »Indie« schon fast als Mainstream gilt. So zumindest schien es angesichts mehrerer Diskussionen und zweier Vorträge mit dem Thema »Indie vs. Mainstream«.


Sicherlich kein Mainstream sind die Projekte von Invisible Playground, einem Kollektiv aus Spieleentwicklern, Theatermachern, Künstern und Musikern, vertreten durch Christiane Hütter. Sie nutzen den urbanen Raum, fügen Elemente hinzu und machen ihn so zum individuellen Schauplatz für ihre Spiele. Auf die Art und Weise entstehen spielerische Möglichkeiten, die eigene Umgebung neu zu erleben, kennenzulernen. Ein Archiv mit unzähligen Ideen gibt es auf ludocity.org.


Besonderes Highlight war die Deutschland-Premiere des Dokumentarfilms Indie-Game: The Movie. Der Film begleitet die Entwickler von Super Meat Boy, Braid und FEZ auf einer emotionalen Reise von der Ideenentwicklung, über die Umsetzung bis hin zur Veröffentlichung und Vermarktung ihrer Independent Games. Der Fokus liegt dabei nicht allein auf dem Schöpfungsprozess. Der Film schafft es aufeindrucksvolle Art und Weise die Leidenschaft festzuhalten, mit denen die Entwickler an die Arbeit gehen, aber auch ihre Ungewissheit ob des Erfolgs der Spiele und damit verbundene Existenzängste, denen sie täglich ausgesetzt sind.