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Ich toaste also bin ich
Ein Brot folgt seiner Bestimmung

Ich zerbreche das Glas um mich in der auslaufenden Marmelade zu wälzen. Nachdem mein Körper mit fruchtigem Aufstrich bedeckt ist, bahne ich mir meinen Weg zur Heizung. Ich nehme dafür das Skateboard. Als ich den Heizkörper erreicht habe, erklimme ich ihn. Ich lege mich auf ihn. Ich stehe kurz davor meine nächste Daseins-Stufe zu erreichen. Ich bin Brot. Ich werde Toast sein – goldbrauner, wohlschmeckender Toast.

 Was zunächst wie eine Situationsbeschreibung aus Domians nächtlichem Telefon-Talk anmutet, ist in Wahrheit die Schilderung einer typischen Spieleszene aus I Am Bread. Diese »Brotsimulation« stammt aus dem Hause Bossa Studios. Wer sich an den Surgeon Simulator der britischen Spieleschmiede erinnert, wird bereits ahnen, wohin die Reise geht. Wie schon bei der chirurgischen Ärztepfusch-Simulation, handelt es sich bei I Am Bread um ein Geschicklichkeitsspiel mit irrwitzigen Einfällen in einem absurden Setting.

Ort des Geschehens ist das Haus von Mr. Murton. Mr. Murton hat es nicht leicht. Denn er ist sich sicher vom örtlichen Gemeinderat verfolgt zu werden. Um seine Stresssymptome zu bewältigen, sucht er regelmäßig einen Psychiater auf. Wenn er das Haus verlässt, erwacht eine Scheibe Brot zum Leben. Und dieses Stück Brot hat nur einen Wunsch, der es antreibt: es will getoastet werden.

Jedes Level beginnt auf dem Schneidebrett und endet auf einer Heizquelle. Dies können verschiedene Haushaltsgeräte sein, wie ein Fön, der Herd oder das Bügeleisen. Einen Toaster gibt es lediglich in der Küche. Um sein Stück Brot durch die einzelnen Räume zu bewegen, nutzt man vier Tasten, die den jeweiligen Ecken der Brotscheibe zugeordnet sind. Dabei kann man an Möbelstücken hinaufklettern, sich an ihnen entlanghangeln oder auch einen Sprung über größere Distanzen wagen. Dabei sollte man es tunlichst vermeiden auf unappetitlichen Arealen zu landen, wie z.B. dem Fußboden, Spülwasser, Ameisen oder dem Katzenklo. Dies alles führt in der Endbewertung zu Abzügen in der Essbarkeitswertung.

 Wo ist die nächste Heizquelle?

Im Gegenzug kann man den Geschmackswert des Brotes steigern, indem man sich z.B. mit Marmelade oder Butter bestreicht. Der Weg zur nächsten Heizquelle gestaltet sich nicht einfach. Denn die Physik des Spiels kann einem schnell ein Bein stellen. Wackelnde Stühle, zerspringende Teller, sich öffnende Schranktüren – wenn man es nicht schafft seine Scheibe Brot rechtzeitig auf sicheres Terrain zu manövrieren, landet man schneller auf dem Boden als einem lieb ist. Die vornehmliche Herausforderung liegt dabei im Meistern der Tastenkombinationen, um das Brot mit jeder Ecke seines Körpers dem Ziel näher zu bringen. Die Steuerung wird dabei schnell zur Fingerübung, zumal das Festhalten an Möbelstücken unter Zeitdruck erfolgt. Ein Controller ist daher empfehlenswert.

Für gewöhnlich gibt es mehr als einen Lösungsweg um den gewünschten Bräunungsgrad zu erreichen. So kann man im Wohnzimmer beispielsweise den Heizkörper anvisieren. Es bietet sich allerdings auch die Möglichkeit den Fernseher mit Hilfe einer Bowlingkugel und des Gravitationsgesetz zum Ofengrill umzufunktionieren. Alternative Lösungswege und frei wählbare Routen erhöhen somit den Wiederspielwert. Zudem übt das verursachte Chaos in der Wohnung nochmal einen besonderen Reiz aus. Das steigert nach seiner Heimkehr zwar nicht Mr. Murtons gesundheitliches Befinden. Aber um das war es ja ohnehin nicht gut gestellt.

 Bin ich Bagel, so roll' ich

Der Spielumfang des ehemaligen Early-Access-Titels ist erheblich erweitert worden. Inzwischen stehen nun weitere Spielmodi zur Verfügung. Beim Bagelrennen kann man rollenderweise an den eigenen Bestzeiten feilen. Das Baguette, ein bekanntlich anarchistisch veranlagtes Teigelement, will vor allem eins: Randale. Somit ist in diesem Spielmodus das vornehmliche Ziel so viel Schaden wie möglich anzurichten. Die Sehnsucht des Knäckes ist wiederum anderer, fast romantischer Natur. Bei der Käsejagd will es mit fünf Käsescheiben vereinigt werden, die es in der Wohnung zu finden gilt. Dabei gilt es stets die Integrität des Knäckes im Blick zu behalten. Im Vollkornmodus heben die Entwickler endgültig ab und simulieren in der Wohnung eine schwerelose Atmosphäre. Das mit Navigationsdüsen ausgestattete Vollkornbrot bannt sich seinen Weg vorbei an schwebenden Einrichtungsgegenständen um dem primären Ziel des Toastwerdens näher zu kommen. Dies ist zwar nur ein kleiner Schritt für eine Scheibe Brot, jedoch ein großer Schritt für die Backindustrie.

Des Weiteren gibt es noch einen freien Modus, in dem alle bereits freigespielten Räumlichkeiten ohne Zeitdruck erkundet werden können. Die Wahl des Gebäcks liegt dabei ganz beim Spieler. Seit der Veröffentlichung im April 2015 haben Bossa Studios an zwei Bonusinhalten gearbeitet. Die Sternenkrieg-Parodie STARCH WARS handelt vom intergalaktischen Konflikt der Speisestärken, in dem man versucht als Brot-Wing-Figther eine Raumschlacht für sich zu entscheiden. Das separate Sandwich-Level TEAM FORTRESS 2 spielt wiederum im Universum der gleichnamigen Multiplayer-Lizenz. Hier gilt es sich mit dem Kühlschrankinhalt zu einem Sandwich zu vereinen.

 Mängel in der Backqualität?

Sicher, I Am Bread ist kein Machwerk, das mit opulenter Grafik oder bombastischen Sounddesign daherkommt. Hier steht klar die Spielmechanik im Vordergrund. Die kann mitunter ganz schön knifflig sein und ist somit nichts für ungeduldige Gemüter. Denn die eigene Geschicklichkeit wird permanent auf die Probe gestellt. Wenn man damit beschäftigt ist vier bis acht Knöpfe gleichzeitig zu koordinieren, das Brot droht seinen Halt zu verlieren und man dann noch versucht den Kamerawinkel zwecks besseren Überblicks auszurichten, kann dies schon mal zu Frustmomenten führen. Die zum Teil entgleitende Kameraperspektive ist durchaus ein Mängel, der noch verbesserungswürdig wäre. Spätestens im holprigen Epilog des Spiels (eine Autofahrt), wirkt diese in Verbindung mit der Steuerung leider unausgegoren.

 Fazit

I Am Bread erinnert an den ursprünglichen Reiz des Spielens: das Herumtüfteln, das Ausprobieren, die Herausforderung − all die Gründe, die seit Beginn der Videospiele, die Menschen vor den Bildschirm locken. Nicht zuletzt die Grundidee des Spiels und sein Humor machen I Am Bread zu einem sympathischen Vertreter seiner Zunft. Wenn einem versehentlich die Brotscheibe ins Klo fällt, kommt man irgendwie nicht umhin zu schmunzeln. Für die Zukunft dieser offensichtlich zu Unrecht vernachlässigten Spielegattung lässt sich somit viel Potential erkennen. Womöglich werden noch viele weitere Lebensmittel sich ihren Weg in unsere Spielerherzen bahnen.

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Bilder: Steam