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Böses, böses Handy
Smartphone-Skepsis im Netz

Im Internet tauchen in letzter Zeit vermehrt Anti-Smartphone und Anti-Social-Media Videos auf und bedienen damit eine etwas abstrakte Angst weniger technikaffiner Mitmenschen. Sie versprechen eine bessere Welt und glücklichere Menschen, würden diese sich nur von ihren Smartphones und »unechten« Freunden trennen.


Die Filme, die uns davor warnen, dass wir durch Smartphones, Spiele-Apps und soziale Medien vereinsamen und das »echte Leben« verpassen nennen sich z.B. Look Up oder I Forgot My Phone. Sie werfen einen kulturpessimistischen Blick auf die Menschen, die allesamt ohne ihre Umwelt wahrzunehmen, auf ihr Smartphone starrend, durch ihr Leben gehen: Jede Face-to-Face Kommunikation wird durch das Smartphone, Apps, Games und die sozialen Netzwerke zunichte gemacht. Smartphone-Nutzer haben nur noch »Facebookfreunde« und diese sind allesamt keine »echten« Freunde. Sollten sie doch Freundschaften außerhalb ihres Onlinelebens aufbauen, so wird hier selbst bei einem direkten Treffen kaum noch kommuniziert und wenn doch, dann geht es um das Smartphone. Egal ob in Bus oder Bahn, in der Schule oder beim gemütlichen Beisammensitzen mit Eltern oder Freunden würden Apps geklickt und mit nicht anwesenden Personen kommuniziert oder gespielt, anstatt sich mit den Menschen im unmittelbaren Umfeld auseinanderzusetzen. Alle starren nur auf ihr Smartphone, chatten und spielen Spiele wie Candy Crush oder Quizduell und bekommen nichts mehr von ihrer Umgebung mit.


Dass diese technikkritischen Ansätze einen Nerv treffen, lässt sich neben kontroversen Diskussionen zu den Filmen auch an ihrer Klickzahl bei Youtube sehen. Look Up wurde innerhalb eines Monats über 42,5 Millionen Mal geklickt (Stand 10.06.2014). Etwas weniger emotional, aber immer noch extrem überspitzt, geht I Forgot My Phone an die Thematik – mit mehr als 42,5 Millionen Klicks in 9 Monaten – heran (Stand 10.06.2014). Dies ist darauf zurückzuführen, dass solche Videos besonders gerne über soziale Netzwerke geteilt werden.


Studien wie die JIM Studie deuten in der Tat darauf hin, dass das Smartphone und Social Media wichtige Medien für die heutige Jugend sind. 81% der 12—19 Jährigen beschäftigen sich laut JIM Studie 2013 täglich mit dem Handy/Smartphone. Besonders Spiele-Apps werden von 47% der Kinder und Jugendlichen regelmäßig gespielt (vgl. 15 Jahre JIM Studie). Gerade bei den 12—13 Jährigen ist das Spielen über das Handy mit 39% besonders beliebt. Sogar 73% der Befragten nutzen täglich das Internet, dass über das Smartphone schließlich auch überall zugänglich ist (vgl. JIM Studie 2013). Und in der Tat hat die Zahl derer, die ein Handy oder Smartphone besitzen, drastisch zugenommen. Wie die Studienreihe 15 Jahre JIM Studie zeigt, sind mit dem erscheinen alltagstauglicher Handys und Smartphones die Zahlen derer, die ein solches Gerät besitzen, jeweils innerhalb kürzester Zeit massiv gestiegen. Für das Smartphone bedeutet dies: Besaßen im Jahr 2010 erst 14% der Befragten zwischen 12 und 19 Jahren ein Smartphone, so stieg die Zahl im Jahre 2013 auf 72%. Ein einfaches Handy besitzt seit einigen Jahren schon fast jeder (2013: 96% – vgl. 15 Jahre JIM Studie).


83% der Jungen und Mädchen geben in der JIM Studie aber ebenfalls an, dass sie sich täglich bzw. mehrmals die Woche mit Freunden treffen und mehr als zwei Drittel treibt täglich oder mehrmals die Woche Sport (vgl. JIM Studie 2013). Auch der Vergleich zu Werten von 1998 gibt keinen Anlass zur Besorgnis. Während die Zahl derjenigen, die sich täglich oder mehrmals die Woche mit Freunden treffen um lediglich 2% abgenommen hat, ist die Zahl derer, die regelmäßig Sport machen um 8% angestiegen. Auch Familienunternehmungen sind für die befragten Jugendlichen wichtiger geworden und die Jugendlichen sind tendenziell häufiger Mitglieder verschiedener Vereine und Gruppen (vgl. 15 Jahre JIM-Studie). Zusätzlich geben viele Jugendliche an, dass sie Spiele-Apps nutzen, um Freunde herauszufordern und Highscores zu vergleichen, um dadurch auch räumlich getrennt voneinander mit oder gegen Freunde spielen zu können. Bei Treffen werden sich dann Tipps zu den Spielen gegeben oder es werden gemeinsam Taktiken überlegt, wodurch das Spiel eher ein Mittel zur Kommunikation ist, wie es auch Sammelkarten oder nicht digitale Spiele sein können und sind. Zwar sagen diese Ergebnisse nichts über die Qualität solcher Treffen aus, doch wäre es hier vielleicht angebracht, diese Menschen zu beobachten und einmal selbst zu fragen.


Genau das unternimmt die Kommunikationsforscherin Prof. Dr. Angela Keppler (Universität Mannheim) und stellt fest, dass die Medien in die zwischenmenschliche Kommunikation eingebettet werden, es hierzu sogar ein »Routine-Wissen« darüber gibt, wie Medienhardware und –themen in Gesprächen so eingesetzt werden können, dass es nicht zu einem kommunikativen Problem kommt. Außerdem gibt es ein Bewusstsein darüber, eine Art »Etikette«, was sich in Bezug auf Medien gehört und was nicht (vgl. Seite des DFG-Projekt: MEDIATISIERTE GESPRÄCHE. ALLTAGS-KOMMUNIKATION HEUTE). Es gibt also auch die wissenschaftliche Position, dass Smartphones und andere Medien die Face-to-Face Kommunikation nicht hemmen oder gar verhindern, sondern vielmehr ergänzend und unterstützend wirken können.


Sollten Sie jedoch erleben, dass Ihre Freunde oder Bekannte zu sehr mit dem Smartphone beschäftigt sind und dies gar keinen Zusammenhang mit ihrem Gespräch hat, so machen Sie doch genau dies zum Thema ihrer Kommunikation. Von Smartphone süchtigen Menschen umgeben zu sein kann nerven, doch hat nicht jeder Mensch ein Problem, der lediglich an einer neuen Entwicklung von Kommunikationskultur teilhat.


Einen Beitrag von 3sat zum Projekt von Angela Keppler finden Sie hier (oder unten).

Auf Heise online findet sich außerdem ein bissiger Kommentar zum Thema.

 




 via Spieleratgeber NRW

Bild: Look Up