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Gamification: Best Practice

Um eine erweiterte Perspektive bezüglich des Lernens mit gamifizierten Elementen aufzuzeigen, sind die Grundbestandteile eines jeden Unterrichts zu beleuchten: der Kontext, die Lerneffekte und die Motivation.

 

Spielelemente sind kontextspezifisch zu verwenden und einzuordnen, sodass ein größt möglicher Lernerfolg angesteuert wird. Da gamifizierte Elemente im Unterricht nicht einem Durchspielen von Serious Games oder anderen Lernspielen gleichgesetzt werden, ist die Intensität des Lernens nicht von der Spiellänge abhängig. Wichtig ist es, eine höchst mögliche Identifikation mit dem Spiel zu erreichen, die positiv mit dem wahrgenommenen Lernen assoziiert wird. Der Mehrwert der Nutzung von spielerischen Elementen in der Bildung besteht vor allem im Transfer des Gelernten auf spezifische andere Kontexte, Situationen und andere Unterrichtsfächer und deren Anforderungen. Die gelernten Elemente müssen diskutiert und reflektiert werden, sodass Lernprozesse und –ziele explizit angesprochen werden. Die extrinsische Motivation kann sich mit der Verwendung von gamifizierten Elementen erhöhen, da die Rezipient*innen bewusst auf ein bestimmtes Ziel hinarbeiten und beispielsweise mit Punkten oder dem Aufsteigen im Level belohnt werden. Natürlich ist auch hier die Individualität der Schüler*innen zu beachten, da immer ein intrinsisches Interesse vorhanden sein muss, mit den gegebenen Elementen zu arbeiten. Doch ist es möglich, sich durch spielbasierte Elemente eine Lernumgebung aufzubauen, die entweder spezifisch nach den Schüler*innen ausgerichtet ist oder individualisierbare Elemente aufzeigt, die beim Lernen helfen können und so den Lernerfolg steigern (Demmler/Lutz/Ring, 2014). Dazu gehören die Ausarbeitung eines Avatars oder die Nutzung spezifischer Lernmethoden. So wird das Immersionsgefühl gesteigert und eine Bindung zum Gelernten hergestellt. 


Ein ausschlaggebender Faktor für das erfolgreiche Lernen mithilfe von Gamingelementen ist die technische Ausstattung, die die Qualität und grundsätzlich das Nutzen dieser Möglichkeiten ermöglicht. Zudem muss ein gewisser Grad an Medien- sowie kreativer Anwendungskompetenz und natürlich Bereitschaft seitens der Lerhrer*innen gegeben sein, um Inhalte weiterzugeben und Zeit und Mühe in das Ausarbeiten eines spielbasierten Konzepts verbunden mit dem Curriculum auszuarbeiten (Demmler/Lutz/Ring, 2014). Selbst wenn »grundlegende Bedingungen existieren, die einen didaktisch sinnvollen Einsatz von Computerspielen im Unterricht problemlos erlauben, ist aufgrund der habituellen Muster bei Lehrpersonen die Nutzung digitaler Spiele nicht ohne weiteres gegeben« (Biermann, 2012). Demzufolge muss eine Schnittstelle zwischen Medienkonvergenz von Unterhaltungsmedien der Lebenswelt und der Schule geschaffen werden, die im besten Fall über den unterrichtlichen Kontext hinausgeht und so kontextspezifische Handlungsmuster geschaffen werden, die zum erhöhten Lernerfolg führen (Friedrich/Siller/Treber, 2015). Wichtig dabei ist nicht nur die Ermöglichung von Partizipation auf Seiten von Lernenden als auch Lehrenden, sondern besonders die Feedbackfunktion, die soziale Auseinandersetzungen und die Bewusstmachung eigener Kompetenzen bereitstellt.


Beispiele aus der Praxis


Um einen praktischen Bezug zu schaffen, werden im Folgenden zwei Ansätze für das gamifizierte Lernen dargestellt. Zum einen die New Yorker Schule »Quest2Learn«, die auf Gamingelementen basiert und »Classcraft« eine Online-Software für den Unterricht.


»Quest2Learn«


Zur Übersicht gibt es für jede/n Schüler*in ein Online-Profil, welches einen Erfahrungsaustausch bietet und die Ergebnisse in Form einer Auflistung von erlernten Superkräften darbietet. Jede Fähigkeit ist etwas Besonderes und diese Erkenntnis und die Tatsache, dass jeden Tag neue Superkräfte erlernt werden können, helfen ebenfalls bei der Aufrechterhaltung der Motivation. Zudem kann jede Eigenschaft in gemeinsamen größeren Projekten eingebracht werden, sodass zusammen, wie bei Multiplayer-Spielen, gearbeitet werden kann, um gesetzte Ziele zu erreichen. Schüler*innen werden wertgeschätzt und ein Austausch und Zuordnungen innerhalb sozialer Räume werden in den Online-Profilen ausgelebt. So werden soziale Prozesse online angeregt und können auch in der anlogen Welt erweitert werden (McGonigal, 2012). Innerhalb des Schulsemesters stehen sogenannte Bosslevel an, die eine besondere Art der Zwischenprüfung darstellen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten angesetzt sind. Es handelt sich hierbei um zweiwöchige intensive Lerneinheiten, bei denen die bereits erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten angewendet werden sollen, um gemeinsam ein größeres Problem, wie die Bekämpfung des Bossmonsters Mathe, zu lösen. Und nur wenn die erlernten Fähigkeiten eingesetzt werden, kann es zu einer Lösung kommen. Gemeinsam werden Quests bestritten, dabei qualifiziert sich jede/r Schüler*in für eine bestimmte Rolle, wie z.B. »den Mathematikexperten«. So sollen die Fähigkeiten bestmöglich eingesetzt werden, um in Gruppendynamik strategisch zu arbeiten. Dementsprechend wird den Schüler*innen eine erhöhte Erfolgsaussicht geboten und eine besondere Motivation initiiert. Dabei ist es unwichtig, ob die Fähigkeiten erlernt oder bereits gegeben sind, sodass die Teilnehmer*innen eine Außerordentlichkeit der Fähigkeiten zeigen können (McGonigal, 2012).
Eine weitere Leistungskontrolle stellen »Lernagenten« dar, die indirekt und softwarebasiert Wissen abfragen und als Ersatz für Klausuren und Tests dienen. Die Schüler*innen sollen hierbei einer digitalen Figur Lösungen zu einem bestimmten Problem beibringen. So ist diese Figur absichtlich unwissender als die Schüler*innen. In dieser Form soll der Leistungsdruck und die Angst vor schlechten Ergebnissen genommen werden: »Das Resultat ist eine Lernumgebung, in der Schüler geheimes Wissen miteinander teilen, intellektuelle Fähigkeiten in Superkräfte verwandeln, sich an epischen Herausforderungen versuchen und Fehler machen, ohne Angst zu bekommen« (McGonigal, 2012). Ihrer Vorstellung gemäß nutzt die ideale Schule keine Spiele, um Schüler*innen zu unterrichten. Vielmehr ist die ideale Schule ein Spiel, und zwar in jedweder Hinsicht: Jeder Kurs, jede Aktivität, jede Aufgabe, jeder Moment des Lehrens und Bewertens ist so gestaltet, dass sich die Schule den elementaren Strukturen und Beteiligungsstrategien der am stärksten motivierenden Multiplayerspiele bedient (McGonigal, 2012).


»Quest2Learn« ist eine in New York situierte staatliche Schule für die Jahrgangsstufen sechs bis zwölf. Das Besondere ist, dass es sich um die erste gamingbasierte Schule der Welt handelt. Schüler*innen haben über den Tag verteilte Unterrichtsblöcke in den Fächern Mathe, Naturwissenschaften, Erdkunde, Englisch, Geschichte, Fremdsprachen, Informatik und Kunst. Diese Fächer sind in Spielaktivitäten eingebunden. Das Prinzip ist, dass die Schüler*innen spezifische Quests, also Aufgaben auf sich nehmen und diese freiwillig und unter selbstgesetzten Zielen erarbeiten, um ein höchst mögliches Level im Spiel zu erreichen, dabei entspricht dieses der Note eins im deutschen Notensystem. Durch diese Selbstständigkeit wird die Lernmotivation aufrechterhalten. Das System dieser Schule empfindet das sogenannte Aufleveln als ein gerechteres Benotungssystem, denn nur wer hart arbeitet, kann auch aufleveln, also die nächste Ebene erreichen. Dabei kann dieser Vorgang Noten ersetzen oder ergänzen. Es geht darum, dass sich ungelöste oder negative Ergebnisse nicht auf die Noten des Zeugnisses auswirken, da andere Missionen gesucht werden können, um die erforderten Punkte zu erreichen. So können Schüler*innen zunehmend eigene Fähigkeiten erkennen und an diesen arbeiten, wobei die Lehrenden die Individualität der Einzelnen anerkennen und unterstützen. Demzufolge wird negativer Stress kompensiert und es kommt zu einer erhöhten Konzentration aufs Lernen selbst, weniger auf konkrete Ergebnisse (McGonigal, 2012). 


»Classcraft«


»Classcraft« bildet ebenfalls einen Ansatz, Gamification in das Curriculum von Schulen zu bringen. Hierbei handelt es sich um ein weniger komplexes System und kann schnell und einfach in den Unterricht integriert werden. »Classcraft« ist eine Online-Plattform bzw. eine App, die gemeinsames Spielen im Unterricht erlaubt. Hierbei gibt es drei Charakterklassen mit unterschiedlichen Eigenschaften und Kräften: Heiler*innen, Krieger*innen und Magier*innen. Dies ermöglicht den Schüler*innen, ihre Eigenschaften zu erkennen und sich dementsprechend in Teams zusammenzufinden. Im Verlauf des Schuljahres wird in diesen Teams, bestehend aus fünf bis sechs Schüler*innen, gearbeitet und so kommt es zu einer speziellen sozialen Dynamik, die das Miteinander stärkt, da jede/r gewinnen möchte. Alle Teammitglieder profitieren von gemeinsamen Handlungen. So wird aufeinander eingegangen und die Bedürfnisse der anderen werden berücksichtigt. Für Lehrer*nnen ist die Plattform sehr nützlich, um Aufgaben und Lehrmaterialien interaktiv zu verwalten. Die Spielverwaltung nimmt nur 5 Minuten in Anspruch und läuft während des Unterrichts im Hintergrund, während Schüler*innen Punkte sammeln und Kräfte verwalten können. Das Besondere ist, dass jegliche Handlungen, sei es das Zuspätkommen oder gute Leistungen während des Unterrichts, im Spiel Auswirkungen auf den Punkte- und Erfahrungsstand haben. So können durch Erfahrungspunkte reale Kräfte, wie eine Frage in der Prüfung oder das Essen im Unterricht, freigeschaltet werden. Die Teilnahme am Unterricht ist notwendig, um bei »Classcraft« zu überleben. Durch ein integriertes Analysewerkzeug kann man den Eltern einen klaren Überblick über die Unterrichtsteilnahme des Kindes verschaffen. So zeigt sich, dass gamifizierte Elemente auch in »Classcraft« zu finden sind. Risiken und Belohnungen sind reell, das Gemeinschafts- und Identitätsgefühl wird übertragen und durch die zu erreichenden Punkte wird die Motivation und das Engagement am Lernen aufrechterhalten und gesteigert. Das System fordert und fördert die Kompetenzen der Schüler*innen, vor allem bei einer hohen Identifikation mit dem Avatar. Diese dynamische Lernumgebung verändert das Schüler*innen- und Lehrer*innenverhältnis und -verhalten. So kann aber auch ein negativer Konkurrenzkampf entstehen, denn jede/r Teilnehmende möchte der/die Beste sein. Dadurch, dass die Motivation nur durch das Spiel erfolgt, stellt sich die Frage, wie wirkungsvoll und dauerhaft dies bei der Vermittlung von Inhalten ist.


Es lässt sich erkennen, dass ludifizierte Elemente im Unterricht praktisch angewandt werden können, um die Fähigkeiten und Kompetenzen von Lernenden zu fördern und zu fordern und dem Lehrenden neue Möglichkeiten zu bieten, eigene Vermittlungskompetenzen zu überdenken und sich weiterzuentwickeln. Gerade das gemeinsame Lernen beider Seiten kann zu einer Lehrdynamik führen, die besondere Lehr- und Lernergebnisse liefern kann.


Feels Like Play: Dr. Smallz from Institute of Play on Vimeo.


 

Say Yay to Play! from Institute of Play on Vimeo.


Classcraft from Classcraft on Vimeo.


Zum ersten Teil: Gamification in der Bildung


Weiterführende Links:

 

Quest2Learn:

Web

Twitter

 

Classcraft:

Web

Twitter

Instagram

YouTube


Literatur:

 

Demmler, Kathrin/ Lutz, Klaus/ Ring, Sebastian (Hrsg.) (2014): Computerspiele und Medienpädagogik. München: kopaed.

Deterding, S./Khaled, Rilla/Nacke, Lennard/Dixon, Dan (2011). Gamification: Toward a Definition. In: CHI 2011 Gamification Workshop Proceedings, Vancouver, BC, Canada.

Friedrich, Katja / Siller, Friederike / Treber, Albert (Hrsg.) (2015): smart und mobil – Digitale Kommunikation als Herausforderung für Bildung, Pädagogik und Politik. Band 49 der GMK-Schriftenreihe zur Medienpädagogik. München: kopaed.

McGonigal, Jane (2012): Besser als die Wirklichkeit! – Warum wir von Computerspielen profitieren und wie sie die Welt verändern. München: Wilhelm Heyne Verlag.

Koster, Raph (2005): A Theory of Fun for Game Design. Surrey: O'Reilly UK Ltd.

Stampfl, Nora S. (2012): Die verspielte Gesellschaft – Gamification oder Leben im Zeitalter des Computerspiels. Hannover: Heise Zeitschriftenverlag GmbH & Co KG.

 

via: Spieleratgeber NRW