content_menu_tooltip
resizing stage
resizing stage

kontakt


name
email

ja, ich möchte den email newsletter
text

abschicken
zurückvor

Indie-Entwicklerin Barbara Lippe im Interview

Und wieder die Mainstream-Medien mit interessanten Inhalten. Die Online-Ausgabe der Zeit hat ein längeres Interview mit der Art-Direktorin Barbara Lippe von Avaloop über das kürzlich fertig gestellte MMORPG Papermint geführt.


Besser arbeiten ohne Microsoft


Zu Dritt entwickelten sie das Game Papermint. Dann lockte Microsoft mit Millionen. Der Deal scheiterte. Das war unser Glück, sagt die Art Direktorin Barbara Lippe. Von Tina Klopp


ZEIT ONLINE: Wer heutzutage ein Spiel entwickeln will, braucht wahnsinnig viel Geld. Er muss Millionen in ein großes Team, mehrere Jahre Entwicklung und vor allem das Marketing investieren. Ohne einen großen Publisher im Rücken geht das nicht, so heißt es jedenfalls immer. Sehen Sie das genauso?


Barbara Lippe: Ich war zuerst auch extrem skeptisch, als mich ein Freund vor mehr als drei Jahren gefragt hat, ob wir nicht ein Spiel entwickeln wollen. Wir haben Multimedia Art studiert, der Freund und ich, das heißt: Ich beherrsche weder die 3D-Technik, noch kann ich programmieren. Ich hätte anfangs nie gedacht, dass das dann plötzlich was wird, dass wir plötzlich 20 Angestellte haben, und Microsoft uns mit Multimillionen-Verträgen lockt.


ZEIT ONLINE: Haben unabhängige Spielentwickler also eine reale Chance?


Lippe: Definitiv. Seitdem man nicht mehr abhängig ist von den großen Publishern und den drei Hardware-Herstellern Nintendo, Sony und Microsoft, und es diese »Digital Distribution« gibt, also viele Kanäle, auf denen kleine Indie-Firmen ein großes Publikum erreichen können, geht das plötzlich sogar sehr gut. Es ist ein bisschen so wie früher im Independent-Film oder in der Indie-Musik. Man kann tatsächlich als junges Talent entdeckt werden.


ZEIT ONLINE: Sie haben ein Jahr lang mit Microsoft zusammengearbeitet. Warum hat sich das Unternehmen plötzlich für Sie interessiert?


Lippe: Eigentlich aus dem gleichen Grund, warum sich Sony jüngst auf ein Independent-Spiel wie Little Big Planet draufgesetzt und es groß herausgebracht hat: Die Kleinen haben halt die Kreativität, die die Großen nicht mehr haben. Die können Blockbuster wie Halo machen. Aber da ist das Marketingbudget auch doppelt so groß wie das für die Entwicklung. Andererseits kann ein kleines Spiel, das den Leuten taugt, aber viel weniger kostet, ihnen noch viel mehr einbringen.


ZEIT ONLINE: Dennoch hat die Zusammenarbeit mit Microsoft am Ende nicht geklappt. War das schlimm für Sie?


Lippe: Das war zwar fast unser Tod, finanziell jedenfalls. Wir mussten die 20 Leute, die wir eingestellt hatten, ganz schnell wieder entlassen. Wir durften mit keinem anderen Publisher reden, wir haben ganz viel Zeit und Geld verloren. Aber wir wissen dafür jetzt, wie wir es nicht mehr machen wollen. Und wir haben unsere Kreativität wiedergefunden.


ZEIT ONLINE: Welche sind Ihrer Meinung nach die Faktoren, die es für große Unternehmen schwieriger machen, kreativ zu sein?


Lippe: Dass alles so langsam geht. Du hast so viele Entscheidungen zu treffen, so viele Menschen über dir, die alles mitentscheiden wollen. Die Motivation geht verloren, der Arbeitseifer, die Ideen, die Lust am Ganzen. Wir waren in dem einen Jahr, in dem wir mit Microsoft gearbeitet haben, kreativ total gehemmt. Wir haben nur immer Powerpoint-Präsentationen herrichten müssen, und uns überlegen müssen, wie wir die nächste Präsentation in Redmond machen.


ZEIT ONLINE: Und jetzt?


Lippe: Jetzt genießen wir, dass wir wieder unabhängig sind und uns berappelt haben. Wir haben das große Glück, einen unabhängigen Geldgeber gefunden zu haben. Wenn wir zu dem sagen: Wir brauchen leider noch einmal 50.000 Euro für die Entwicklung im nächsten Monat, dann ist das Geld am nächsten Tag auf unserem Konto. Da wird noch nicht einmal was unterschrieben. Es gibt generell nicht mehr so viel Papierkram. Mit Microsoft war das ganz anders.


ZEIT ONLINE: In der Zeit mit Microsoft hatten Sie ein schickes Büro in Wien und 20 Mitarbeiter. Wie sieht denn Ihr jetziges Büro aus?


Lippe: Wir haben ja jetzt die Firma von Wien nach London verlagert. Wir sitzen in einer alten Chemiefabrik, in einer recht zwielichtigen Gegend, im Osten Londons. Da haben wir eine kleine Kammer, extrem kalt, und müssen immer zu zweit auf die Toilette gehen, weil die so weit weg ist und wir nur einen Schlüssel haben. Wenn man als Team nicht wirklich gut befreundet ist, sollte man ganz sicher nicht so zusammenarbeiten. Wir hocken gefühlte 26 Stunden am Tag zusammen. Aber wir haben dafür auch ein ganz starkes Gemeinschafsgefühl und gehen zusammen durch dick und dünn.


ZEIT ONLINE: Vielleicht ein Geheimrezept für große Spielefirmen?


Lippe: Ich glaube, man spart extrem viel Zeit, wenn man sich nicht ständig fragt: Wie schaut mein Anzug aus, hab ich ein tolles Catering, wie steht es um meine nächste Powerpoint-Präsentation?


ZEIT ONLINE: Gab es auch Widerstände im Rest der Szene, hat man versucht, Sie zu blockieren oder Ihnen Wissen aus Angst vor der neuen Konkurrenz vorzuenthalten?


Lippe: Wir haben extrem gute Kontakte zu anderen Indie-Game-Entwicklern weltweit. Und mir kommt es auch so vor – im Gegenteil zu anderen Industrien – dass der Austausch im Games-Bereich extrem herzlich ist. Man teilt wirklich sehr viel. Das liegt vielleicht daran, dass Spiele auf Programm-Codes basieren, und dass Spielemacher einfach anders ticken als Filmemacher oder Musiker. Davon profitieren dann alle. Im professionellen Bereich sieht das ganz anders aus. Da kannst du nicht einmal zu jemand »Hallo« sagen, ohne dass du vorher ein Non-Disclosure-Agreement unterschrieben hast. Deswegen wird da auch nie über etwas Gescheites geredet.


via Zeit Online